Material

Ganzheitliche Produktionssysteme zielen nicht nur auf die Optimierung der eigentlichen Montageprozesse, mindestens ebenso zentral ist die laufende Verbesserung eines ungehinderten Materialflusses. Die dafür gefundenen Lösungen sind nach Produkt- und Montageart höchst unterschiedlich: Es finden sich Kanban-Systeme, die selbst die Zulieferer einbinden. Es finden sich so genannte Milkrunner, deren Aufgabe die zyklische Materialbeschaffung ist und die damit die Gruppen von der Materialbeschaffung entlasten. In Großserienfertigungen ist die innerbetriebliche Logistik teils sogar an externe Dienstleister outgesourct. Und in der Unikat- und Klein(st)serienmontage liegt oft nicht nur der Materialfluss, sondern sogar die Materialbeschaffung mit in der Verantwortung der Mitarbeiter in der Montage.

Während im Zuge der teilautonomen Gruppenarbeit und der lean production die Verantwortung für den Materialfluss sehr stark in die Gruppe verlagert wurde, herrscht nun die Tendenz vor, die Gruppe wieder davon zu entlasten. Zudem versprechen die IT-Systeme zur Produktionsplanung und -steuerung (PPS) einen zeitnahen und exakten Überblick über Materialflüsse und Lagerorte – kein Auftrag soll freigegeben werden, wenn nicht alle notwendigen Teile verfügbar sind.

Würden alle diese logistischen, organisatorischen und IT-Maßnahmen reibungslos funktionieren und bruchlos ineinander greifen, wären alle Akteure eingespielt, vom Zulieferer über den Logistikdienstleister bis hin zum Milkrunner und dem Mitarbeiter im Einkauf, der die letztlich materialflussrelevanten Grunddaten in die IT-Systeme einpflegt – dann wäre die Anforderung an die Montagearbeiter in Bezug auf den Materialfluss verschwindend gering.

  • Wahrnehmen, wo es hakt. Spüren, wo es haken könnte. Und sich einbringen und aushelfen, damit es gar nicht erst hakt
  • Ein Gefühl für die Gesamtabläufe entwickeln
  • Die Abweichungen zwischen IT-Angaben und realen Verfügbarkeiten wahrnehmen und kompensieren
  • Logistik als Teil der eigenen Arbeit begreifen

Die betriebliche Wirklichkeit aber sieht anders aus: So sind die Zulieferteile zwar im Haus, aber nicht immer in der benötigten Menge und Qualität zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Der Milkrunner mag sein Bestes geben, kann aber nicht immer im entscheidenden Moment vor Ort sein – sein Funktionieren ist abhängig von zu vielen Außenbedingungen. Der Unterschied zwischen der PPS-Anzeige und der realen Materialsituation ist leider empirisch keine Ausnahme, sondern in vielen Unternehmen alltäglich. Und ebenso dann auch die daraus resultierende, oft zeitintensive Suche nach den Fehlteilen. Erfahrene Montagearbeiter wissen um diesen „ganz normalen Wahnsinn“. Ihre ganzheitliche Wahrnehmung bezieht sich nicht nur auf die Montage selbst, sondern auf das ganze Drumherum. Ein zu lange nicht aufgefüllter Kanbankorb, ein gehetzter Milkrunner, das Gespür bei der Suche nach Fehlteilen: all das wahrzunehmen und zu beheben begreifen erfahrene Montagearbeiter als selbstverständlichen Teil ihrer Arbeit.